Wölfe, die ein Weidetier von besonderem materiellen oder ideellen Wert angreifen, dürfen als letzte Möglichkeit in Notwehr getötet werden. Das ist das Ergebnis eines Rechtsgutachtens, das die Kanzlei Kubicki & Schöler für den Bauernbund Brandenburg angefertigt hat. "Wer zum Beispiel ein wertvolles Zuchttier verteidigt, geht nach unserer Rechtsauffassung straffrei aus", sagte Bauernbund-Geschäftsführer Reinhard Jung auf einer Pressekonferenz in Leibsch im Spreewald und kündigte an, dass der Bauernbund den ersten Landwirt oder Jäger, der deswegen angeklagt werden sollte, die Prozesskosten bezahlen wird. Die Verteidigung in diesem Fall würde der renommierte Strafrechtler Wolfgang Kubicki übernehmen, der in Leibsch für eine sorgfältige Abwägung plädierte: "Der Schutz für den Wolf hat einen sehr hohen Stellenwert und rechtfertigt keine Notwehr bei Tieren, die leicht zu ersetzen sind. Anderes gilt jedoch für Tiere von besonderem Wert."
In der Praxis dürfte sich dieser Wert vor allem auf Einzeltiere von Landwirten beziehen, die ihre Nachzucht nach begründeten betriebsspezifischen Kriterien auswählen und selbst aufziehen. "Wird ein solches Tier angegriffen, reagiert der Wolf nicht auf Schüsse in die Luft und kann die Notwehr von einer weiteren Person bezeugt werden, muss der Tierhalter nicht mehr tatenlos zusehen, wie sein Eigentum vom Wolf gerissen wird", argumentiert Frank Michelchen, Biobauer aus Leibsch und Wolfsbeauftragter des Bauernbundes, der bereits drei Kälber verloren und deshalb inzwischen seinen Jagdschein gemacht hat: "Diese rechtliche Klarheit hätten wir uns eigentlich von der Wolfsverordnung der Landesregierung gewünscht. Aber wir sind auch bereit, sie in einem Musterprozess zu erstreiten."
Das Rechtsgutachten ist ab heute veröffentlicht auf der vom Bauernbund Brandenburg betriebenen Seite www. wolfsfreiezone.de. Unabhängig von dem persönlichen Recht auf Notwehr bleibt der Bauernbund bei seiner politischen Forderung, den strengen Schutz des längst nicht mehr vom Aussterben bedrohten Wolfes auf europäischer Ebene zu lockern und ihn ins deutsche Jagdrecht aufzunehmen mit Jagdzeiten und Abschussquoten.